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Friday, July 27, 2012

Harte Zeiten für Italiens Super-Mario - DiePresse.com

Rom. Mario Monti kann vorerst aufatmen, Italiens Premier kann sich diesmal sogar auf ein etwas sorgenfreieres Wochenende freuen: Sein Land sammelte am Freitag zu deutlich günstigeren Konditionen Geld bei Anlegern ein â€" dank Hoffnungen auf Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank.

Bei der Auktion von Geldmarktpapieren mit sechsmonatiger Laufzeit fiel der Zins auf 2,454 Prozent, den niedrigsten Wert seit Mai. Es war eine große Erleichterung nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen: Im Juni mussten Investoren mit 2,96 Prozent gelockt werden, dem höchsten Zins seit Dezember. Zuletzt lag der „Spread“, die Zinsdifferenz zu deutschen Wertpapieren, schon wieder bei 540 Punkten â€" fast bei jener Marge, die Silvio Berlusconi im November 2011 das Amt des Regierungschefs gekostet hat.

Der Vertrauensbonus, den die Finanzmärkte dem Wirtschaftsfachmann Monti damals anrechneten, scheint trotz der gestrigen Entspannung verloren. Der Premier selbst macht aus seiner Enttäuschung kein Geheimnis: Italien habe in den vergangenen acht Monaten derart viele Reformen vorgenommen, „und trotzdem werden wir bestraft“.

Der Premier zog sich aber auch den Unmut der ihn unterstützenden Parteien zu, als er die „politische Unsicherheit“ in Italien für die Turbulenzen auf den Finanzmärkten verantwortlich machte. Das war eine Warnung an alle: an das rechte „Volk der Freiheit“, das sich nach dem Comeback seines Übervaters Silvio Berlusconi im Streit darüber selbst zerfleischt; an die Sozialdemokraten von Pier Luigi Bersanis „Partito Democratico“, die in den Umfragen derzeit zwar die Stärksten sind, aber intern zu keiner Geschlossenheit finden, und schließlich an die Christdemokraten des umtriebigen Pier Ferdinando Casini, der mit allen möglichen Spielchen die Unzufriedenen aus den beiden anderen Parteien in sein â€" noch â€" recht kleines Reich ziehen will. Und alle paar Tage wirft mal das eine, mal das andere politische Lager die Frage auf: Soll man Monti noch bis zu den Wahlen im Frühjahr 2013 stützen, oder wie wäre es mit Neuwahlen im Herbst?


„Risiko à la Griechenland“

Laut jüngsten Gerüchten erwägt sogar Monti selbst, früher aufzugeben â€" oder Neuwahlen vom Zaun zu brechen, um sich danach an die Spitze einer Großen Koalition zu setzen und fünf Jahre weiterregieren zu können. Die Option „Monti nach Monti“ wird zwar auch innerhalb der Parteien diskutiert, aber die Hausmacht, die der „Technokrat“ sich über die Lagergrenzen hinweg erworben hat, ist dafür nicht stark genug.

Der Regierungschef jedenfalls weist alle Gerüchte zurück. Er mache weiter bis 2013; ein Wahlkampf mit den dazugehörigen Turbulenzen würde Italien derzeit einem „Risiko à la Griechenland“ aussetzen, sagt er. Einen Wahlkampf will Monti schon deshalb vermeiden, weil dann jene parteiübergreifenden Einigungen unmöglich würden, ohne die er weitere Reformen vergessen kann.

Hinzu kommt die wachsende Reformmüdigkeit der Italiener. Massendemos wie in Spanien und Griechenland haben zwar noch nicht stattgefunden. Doch der Druck der Straße wächst. So protestierten am Donnerstag hunderte Menschen in Rom gegen die Pensionsreform. Sie verlangten Maßnahmen zugunsten der Arbeitnehmer, die ihre Betriebe frühzeitig verlassen müssen, wegen Erhöhung des Pensionsalters aber kein Recht auf eine Pension haben.

Die Pensionsreform hat Monti jedenfalls hinter sich. Seit Mitte Juni ist auch die hart umkämpfte, von Gewerkschaften und Parteien arg zurechtgerupfte Reform des Arbeitsrechts in Kraft; das Dekret zum Wirtschaftswachstum, ein bunter, angesichts der Finanzknappheit mit wenig Geld gewirkter Flickenteppich, ist am Mittwoch vom Abgeordnetenhaus gebilligt worden.


Weitere Einsparungen geplant

Derweil toben weitaus größere Konflikte: Mit einer flächendeckenden Reform der Staatsausgaben will Monti in den kommenden drei Jahren mehr als 25 Milliarden Euro einsparen. Dagegen laufen vor allem Gemeinden, Provinzen â€" 64 von 107 fallen durch Strukturreformen weg â€" und Regionen Sturm. Nächste Woche soll das Paket Gesetz sein.

Selbst wenn Monti versichert, damit sei das Land aus dem Schlimmsten heraus und europäische Rettungsschirme werde man schon nicht brauchen â€" die Parteien bleiben misstrauisch: Mit den berüchtigten August-Spekulationen der Finanzmärkte, so fürchten sie, könnten auf Italien weitere, schmerzhaft teure Abwehrmaßnahmen zukommen. Wie sie politisch darauf reagieren sollen, wissen sie womöglich selber noch nicht. Die Parole jedenfalls, so sagen anerkannte italienische Beobachter, laute: „Haltet euch bereit. Für alles.“ FINANZMÄRKTE S. 21

Kein italienischer Premier hat so viele Reformen umgesetzt wie Wirtschaftsprofessor Mario Monti in den vergangenen acht Monaten. Die aus Experten bestehende Übergangsregierung des Ex-EU-Kommissars soll bis zum Frühjahr 2013 im Amt bleiben, dann sind Wahlen geplant. In Rom verdichten sich allerdings Gerüchte über vorgezogene Wahlen im Herbst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2012)

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