- Das ZDF war dran. Schade eigentlich, werden sich im Nachhinein viele gedacht haben. Denn es wäre doch schon ganz nett gewesen, wenn der ARD-Experte Mehmet Scholl wie nach dem Auftritt der deutschen Nationalmannschaft gegen Portugal auch diesmal seine Sicht der Dinge hätte preisgeben dürfen. Vielleicht wäre er sogar ein bisschen rot angelaufen, hätte den Kopf ein wenig verschämt gesenkt - als Geste der Demut.
Jedenfalls wäre er nicht umhingekommen, sich sehr dezidiert mit Mario Gomez zu beschäftigen. Jenen Mann, den er nach dessen Siegtor gegen Portugal doch verbal arg weggrätschte. Jeder freute sich über den Erfolg, doch Scholl sprach davon, dass er Angst gehabt habe, dass Gomez sich während des Spiels wundgelegen habe, dass sein Spiel nicht modern sei, dass er zu wenig nach hinten arbeite. Gegen die Niederlande machte dieser an sich offenbar minderbemittelte Kerl nun gleich zwei Treffer und schoss Deutschland erneut zum Sieg. Glücklich wirken Scholls ÃuÃerungen nun bei aller Liebe nicht mehr.
Als Mario Gomez in der 72. Minute vom Platz kam, war die Erschöpfung in seinem Gesicht abzulesen. Kaum noch konnte er die Mundwinkel zu einem Lächeln verziehen, als er den für ihn bereitstehenden Miroslav Klose abklatsche. Gomez war kaputt, hatte viel geleistet auf dem Platz - nicht nur wegen seiner beiden Treffer. Daran hatte vielleicht sogar Mehmet Scholl einen kleinen Anteil.
Obwohl. "So eine Motivationsspritze brauche ich nicht. Schade, dass so etwas passiert", sagte Gomez nach dem Spiel. Eigentlich ist der Stürmer des FC Bayern jemand, der Dinge von auÃen ganz gut abblocken kann. Das hat er gelernt in seiner Karriere, denn die war immer begleitet von Sorgen - und von viel Kritik. Gomez hatte sich teilweise zu einer Spottfigur entwickelt, vor allem wegen seiner über Jahre unglücklichen Auftritte in der Nationalmannschaft.
Die scheinen nun aber hinter dem 26-Jährigen zu liegen. Vergessen ist die EM 2008, sein erstes groÃes Turnier, bei dem nur fünf Torschüsse in vier Einsätzen zusammenkamen. Vergessen auch die WM 2010, die ähnlich schwach für ihn verlief - wieder kein Tor. Das hat ihn nicht gerade prädestiniert für den Platz in der Startformation. Dass er ihn von Bundestrainer Joachim Löw bekam und nicht der altgediente sowie stets absolut zuverlässige Kontrahent Klose, war eine der groÃen Ãberraschungen. Nun kann er sogar EM-Torschützenkönig werden. Zumindest hielten die Buchmacher schon vor dem Turnier groÃe Stücke auf Mario Gomez. Bei Wetten auf die Torjägerkrone war er der Favorit.
Klose ist so ein spielender Stürmer, wie Scholl ihn mag. Womöglich wollte er Gomez auch nur reizen. Scholl gehört zur Bayern-Familie, verbrachte fast seine gesamte Karriere dort und wird demnächst die zweite Mannschaft übernehmen. Eigentlich, so die Replik auf Scholls Angriff, sehe er keine Gründe, sich zu ändern, sagte Gomez. Aber ein bisschen was war doch anders gegen die Holländer. Schon früh in der ersten Halbzeit war Gomez tief in der eigenen Hälfte zu sehen, sprintete mit Arjen Robben an der Seitenlinie um den Ball.
In der Diskussion um Gomez waren zuletzt die Laufwege von Klose und Gomez verglichen worden. Fast unberührt blieb die eigene Hälfte bei Gomez gegen Portugal. Ganz anders als bei Klose. Doch diesmal würde der Vergleich viel weniger deutlich ausfallen. Denn Gomez rannte gegen Holland sehr viel. Und er tat auch viel, aber nicht immer so ungehemmt wie von ihm erhofft: "Man hat heute gesehen, dass ich einige Male gegrübelt habe."
Allerdings blieb er bei seinen Treffern eiskalt. Beim ersten Tor generierte er sich sogar zum Techniker, nahm den Pass von Bastian Schweinsteiger in der Drehung um die eigene Achse an und traf zum 1:0 (24.). Beim zweiten Treffer kam er über rechts von auÃerhalb des Strafraums und schoss den Ball wieder nach Pass von Schweinsteiger präzise und in groÃer Manier zum 2:0 ein (38.). Mehr gute Chancen hatte Gomez nicht, es war so gesehen ein perfektes Spiel von ihm. Eines, in dem er in der von den Holländern bestimmten zweiten Hälfte oft hinten zu finden war und auch mal Angreifer Robin van Persie den Ball zehn Meter vor dem deutschen Strafraum abnahm.
Sein tolles Spiel trug dazu bei, dass er sich nun nicht mehr ganz so gewählt ausdrückte wie noch vor der Partie. "Ich mache gegen Portugal das einzige Tor und bekomme hinterher drei Tage nur auf die Fresse", sagte er und zeigte, dass die Aussagen von Scholl ihn beschäftigt hatten. Trainer und Team hätten ihm aber geholfen. "Mario Gomez war immer ein Kämpfertyp. Er war auch schon am Boden gelegen, hat sich aber immer wieder selbst aufgerichtet. Die Tore hat er klasse gemacht, die tun ihm gut", sagte Bundestrainer Joachim Löw nach dem Sieg.
Am Donnerstag ist übrigens wieder die ARD an der Reihe mit der Ãbertragung. Ein paar Worte zu Mario Gomez wird Experte Scholl finden müssen.

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