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Friday, April 13, 2012

Test: Pandora's Tower - AreaGames (Pressemitteilung) (Blog)

Freitag, 13. April 2012 Johannes Krohn 

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Drei hypewürdige Nachzügler aus dem fernen Osten sollten es sein, welche die Videospiel-Gourmets unter den Besitzern Nintendos gesellschaftsverträglicher Party-Konsole noch einmal in asoziale Suchtis verwandeln würden. Während „Xenoblade Chronicles“ und „The Last Story“ diesen Vorsatz mit Bravour erfüllten, steht mit „Pandora's Tower“ nun das letzte große Abenteuer für die Wii zum Test bereit. Eine pompöse Abschiedsoperette oder ein stimmgebrochener Schwanengesang?

So, das war's! Die Veröffentlichung der Wii U lässt mindestens noch ein halbes Jahr auf sich warten, doch dass Nintendo jetzt noch einen mächtigen AAA-Knaller für seine ebenso geliebte wie geächtete Avantgarde-Konsole hervorzaubert oder Square Enix das seit Ewigkeiten in der Entwicklung befindliche „Dragon Quest X“ nicht doch komplett auf deren Nachfolgesystem ausrichtet, erscheint mehr als unwahrscheinlich. Mit „Kirby's Adventure Wii“ und „Mario Party 9“ wurde sogar bereits das hauseigene Markenholz für produktionsgünstige, aber namenträchtige Fortsetzungen verfeuert. Was jetzt noch kommen dürfte sind zahllose Lizenztitel und mittelprächtige Minispielsammlungen, für welche die Wii so häufig gescholten wurde. Nicht gerade der übliche Lauf eines Generationenwechsels, der zumeist noch in der Startzeit eines neuen Systems, ein paar letzte Meisterwerke für die aussterbende Hardware hervorbringt, denken wir da an „God of War II“, „Final Fantasy XII“ oder „The Legend of Zelda â€" Twilight Princess“, was sicher auch dem Umstand geschuldet ist, das Multiplattform-Spiele auf der Wii kaum ein Thema sind.

Nun gut, Zeit zum Tränenvergießen oder für Wutbekundungen gegen den Mario-Konzern bleibt später noch. Jetzt gilt es zu klären, ob „Pandora's Tower“ die lange Flaute bis zum Wii U-Launch zumindest etwas füllen kann? Die aufschlussreiche Antwort: Vielleicht! Gegenfrage: Habt Ihr Euch mit Titeln wie „Disaster: Day of Crisis“, „The Sky Crawlers: Innocent Aces“, „Tales of Symphonia: Dawn of the New World“, „Another Code R“, „Deadly Creatures“, „de Blob“ oder „Klonoa“ die Wartezeit auf Knaller wie „Super Mario Galaxy“, „Metroid Other M“ oder „Zelda â€" Skyward Sword“ verkürzt?

Was dieser Vergleich soll, fragt Ihr nochmal zurück? Die genannten Spiele passen prima in die Sparte lohnenswerter, liebevoll gemachter Programme, mit merklichen Schwächen, aber auch ganz individuellen Vorzügen, die kein Mensch beachtet, geschweige denn gekauft hat. Und in diese Abteilung würde womöglich auch „Pandora's Tower“ fallen, hätte Nintendo selbst nicht lautstark die Werbetrommel für das bizarre Action-Adventure des Entwicklers Ganbarion gerührt, welcher mit dem „One Piece â€" Unlimited Cruise“-Zweiteiler im Übrigen schonmal ein Wii-Spiel kreiert hat, das ebenfalls seinen Platz auf obiger Liste finden würde.

Dass ich von einem Action-Adventure spreche könnte einige verwirren, ließ die vorhergehende Berichterstattung doch auf ein weiteres Rollenspiel schließen. Tatsächlich ist „Pandora's Tower“ von seiner Anmutung und dem spielerischen Kern her aber ein Hack'n Slay in „Devil May Cry“-Tradition, allerdings mit einem ungewöhnlich ausschweifenden Rollenspielpart.

Wo sonst Krieg, Intrigen und dunkle Mächte die Handlung von Videospielen bestimmen, rückt das Wii-Abenteuer eine Liebesgeschichte ins Zentrum, mit der es das Schicksal kaum schlechter meinen könnte, Krieg, Intrigen und dunkle Mächte inklusive. Nicht nur stammen Hauptfigur Aeron, der das Charisma eines Styroporbällchens besitzt und die fragile, geradezu säuglingshaft hilflose Helena aus verfeindeten Reichen, nein, das Mädel wurde auch noch von einem besonders fiesen Fluch befallen, der es langsam in ein schleimiges, kriechendes, mit glitschigen Fühlern übersätes … Wäh verwandelt. Da können noch so viele innere Werte im stillen Gemüt schlummern, sexy ist anders.

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Gut wenn eine verschrobene, alte Hex... Schamanin mit einer nuschelnden Mumie auf dem Rücken aus dem nichts zur Stelle ist und ungefragt Ratschläge zum Besten gibt. Um den Fluch aufzuheben muss Helena das Fleisch von zwölf Bestienmeistern schnabulieren. Diese findet Aeron in einer gewaltigen Konstruktion aus 13 Türmen, welche an riesigen Ketten über einer gewaltigen Erdspalte, genannt „die Narbe“ hängt.

Eure Aufgabe sollte nun klar sein: Ohne zu zögern macht Ihr Euch in der Rolle Aerons zu den Türmen auf, um seiner Miss Grützwurstgesicht das magische Schmackofatz zu bringen. Die Szenen, in der Helena die rohen Fleischklumpen, verspeist gehören dabei wohl zum widerwärtigstem was ich je in einem Videospiel sehen durfte. Nichts für Ästheten mit empfindlichen Mägen. Dass Helena ihrer Religion nach eigentlich zu vegetarischer Kost verpflichtet ist, lässt zudem ein gewisses Maß an Sadismus durchblicken.

Doch genau diese groteske, ein wenig mit einem „Resident Evil“ im Fantasy-Universum beschreibbare Atmosphäre verleiht „Pandora's Tower“ seinen Reiz. Trotz eines blassen Helden, der die typische Schweigsamkeit von Asia-Recken bis zur Karikatur treibt und einer enervierend dauertraurigen Maid, sorgt auch die spannende Story dafür, dass man der Schnitzeljagd eine Chance geben kann. Die Macher verstanden es gut immer neue mysteriöse Handlungskromen zu streuen, die zur Aufklärung drängen und auf subtile Weise das Gefühl zu vermitteln, dass (abgenudelte Phrase jetzt) nicht alles so ist, wie es den Anschein hat. Zudem gibt es unterschiedliche Enden, was eventuell einen Zweitanlauf begünstigt.

Leider ist „Pandora's“ Gameplay weniger anziehend. Dabei klingen die Ansätze erstmal gut. Ihr erkundet nach und nach die einzelnen Türme, welche alle einem anderen Thema zugeordnet sind und besiegt an deren Ende den jeweiligen Boss. In bester „Metroid“-Tradition sind bestimmte Bereiche beim ersten Besuch unzugänglich und können erst später erschlossen werden. Zwischendurch sammelt Ihr säckeweise Zeug ein. Das können Heilmittel sein, Items, die Euren Status verbessern, Geld und Materialien aus denen Ihr bei der alten Mawda weiteren nützlichen Krempel bastelt. Zum Beispiel neckische Geschenke für die Schneckenfrau … ähm Helena. Macht Ihr Slimer eine Freude verstärkt dies das Band zwischen dem Liebespaar.

Da die Türme vor feindseligem Gesocks nur so wimmeln, lässt Aeron überwiegend sein Schwert und später auch andere Waffen, etwa eine große Sichel die Diplomatie regeln. Das fühlt sich grundlegend etwas sperrig und weit weniger flott und wuchtig an, als in den Vorzeigewerken der Konkurrenz wie „Devil May Cry“. Cool ist hingegen der vielfältige Einsatz der mystischen Kette, die der Blondschopf gleich zu Beginn erhält.

Über den Wii-Pointer lassen sich damit Gegner fesseln und durch die Gegend schleudern oder aneinander binden, sodass sich der Schaden, den ein Feind erleidet auch auf den anderen überträgt. Außerdem könnt Ihr mit der Metallpeitsche über Abgründe schwingen, Schalter umlegen, Steine in Mauern stanzen, um Fixpunkte zum Hochklettern zu bilden, Gegenstände aus der Ferne aufsammeln, fliegende Riesenfleder...dinger vom Himmel holen und geschlagenen Monstern Items und Fleisch entreißen. Anfangs ist die gleichzeitige Nutzung von Schwert und Kette noch leicht gewöhnungsbedürftig, gerade durch die unschöne Zoomfunktion, doch schon bald geht sie gut von der Hand und Ihr könnt gewieft das Feindvolk in Schach halten.

Mal ganz abgesehen davon, dass die Kämpfe trotzdem nie so richtig befriedigend sind, plagen „Pandora's Tower“ jedoch schwerwiegendere Mängel. Die reichen von ganz grundlegenden Schwächen, welche ich, so hart es klingt, dem mangelnden Talent der Designer zusprechen muss, zum Beispiel das zwar um Abwechslung bemühte, leider aber hochgradig uninteressante und leblos-generische Leveldesign. Nur ganz selten entfalten sich epische Kulissen. Die meiste Zeit rennt Ihr durch klar voneinander abgegrenzte Räume, ohne zusammenhängende Funktion und ohne Flair. Hier hat „God of War“ schon vor Jahren gezeigt, wie es gemacht wird.

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Andere Probleme sind auf einzelne fragliche Designentscheidungen zurückzuführen. Die schlimmste betrifft Helenas Verwandlungsgrad. Dieser wird Euch durch eine Kreisförmige Anzeige verbildlicht. Ist sie leer, hat sich die Wandlung vollzogen und das Spiel endet. Um die Mutation zu verzögern, müsst Ihr unserem neugewonnenen Fleischfan Brocken von normalen Gegnern auftischen. Allerdings lassen sich nur sehr selten magische Steine finden, mit denen Ihr sofort ins Observatorium zurückgeschickt werdet, wo Helena aufs Fresschen wartet. Nebenbei bemerkt ist dies auch der einzige Ort, an dem Ihr speichern könnt, abgesehen von einer Schnellspeicherfunktion beim Verlassen des Spiels. Im Falle Eures Scheiterns heißt es also erneut auf Wanderschaft gehen. Natürlich ist das glaubwürdiger, vielleicht auch dramatischer, als wenn in der Zwischenzeit gar nichts passieren würde, bringt jedoch einen unpassenden Stressfaktor in das recht gemächliche Spieltempo.

Eigentlich eine sicherer Motivationsgeber, erweist sich auch der RPG-Unterbau mehr als Last, denn Lust. Gegenstände müssen im Inventar ökonomisch angeordnet und stets aufs Neue repariert werden. Aeron steigt mit zunehmender Erfahrung im Level auf, wobei die Attributwerte jedoch automatisch verändert werden. Aus Eurer Beute könnt Ihr Sekundärwaffen wie Lähmungs- oder Ätzbomben kreieren und Eure Hauptwaffen aufwerten.

Das kann einiges an Tüftelzeit in Anspruch nehmen und durchaus Spaß machen. Im Gegensatz zu den originellen Verwendungsmöglichkeiten der Kette und der ungewöhnlichen Geschichte, wirkt der Aufbau hier aber bis hin zur Menüführung sehr altbacken und überraschungsarm, was sicher auch daher rührt, dass die Fights so wenig reizvoll sind und deswegen auch das Charakter- und Ausrüstungsmanagement kaum Eure gesteigerte Aufmerksamkeit zu erhaschen vermag.

Coole Grafik und einen phänomenalen Soundtrack … hatten „The Last Story“ und „Xenoblade Chronicles“. „Pandora's Tower“ gibt sich zumindest beim Score keine Blöße, wenngleich er relativ austauschbar im Hintergrund bleibt und profitiert abermals von überzeugender englischsprachiger Vertonung. Für die Effekte hätte ich mir eindeutig mehr Schmackes gewünscht, was sicher seinen Beitrag dazu leistet, dass es in den Kämpfen so brav zugeht.

Optisch ist die Turmtour allerdings misslungen. Dabei ist die Gegend um das Observatorium und das Gebäude selbst sogar ganz hübsch geworden, bietet heimeliges Ambiente in bester JRPG-Manier, ein umwerfendes Dachpanorama und sieht für Wii-Verhältnis sogar recht klar aus. Kommt Ihr dann zu den Türmen, wo Ihr nunmal die meiste Zeit unterwegs sein werdet, beherrschen Kantenflimmern und Texturgulasch die in Detailgrad und technischer Ausführung grundsolide Optik.

Fast nicht zu ertragen ist hingegen die unglaublich versaute Farbgebung. Als hätte ein Kleinkind eine filigrane Bauzeichnung mit Fingerfarben ausgemalt, ist die grelle Kolorierung über die graue Levelarchitektur geschmiert worden. Überall leuchtet es kaleidoskopartig grün, blau oder gelb von Pflanzen oder Kristallen wo diese Farben eigentlich gar nicht mehr präsent sein dürften oder weit weniger ausgeprägt wären, als würden all diese Objekte wie Buntglas von der Sonne durchschienen werden oder als würden sie ständig Farbpartikel an die Umwelt abgeben. Das sieht dermaßen furchtbar aus, dass nur noch der Griff zum Farbregler des Fernsehers hilft. Dann ist das Spiel zwar deutlich blasser, fühlt sich aber nicht mehr wie ein Wespenstich in den Augapfel an.

Zu Beginn schrieb ich „Pandora's Tower“ wäre eher ein Hack'n Slay. Durch das niedrige Tempo, die umfangreiche Ausrüstungsverwaltung, sowie einigen Rätseln würde ich es aber doch eher Rollenspielern nahelegen. Aber kann ich die düstere Romanze überhaupt empfehlen? Höchstens denjenigen unter Euch, die dem morbiden Szenario mit Extraekelfaktor etwas abgewinnen können. Dass darin aber die individuelle Stärke des Spiels liegt, geht ironischerweise einher mit seiner großen Schwäche: „Pandora's Tower“ fehlt es einfach an Videospiel-Sex-Appeal. Wer sich drauf einlässt, kann damit lange Zeit gut unterhalten werden, was vor allem an der packenden Geschichte liegt. Denn auch wenn die Liebenden anfangs nicht unbedingt sympathisch sind, so ist ihr gemeinsames Glück doch ein nachvollziehbareres und emotional einnehmenderes Ziel, als der übliche Feldzug gegen das Böse.

Wahre Begeisterung werdet Ihr beim Spielen aber wohl nicht verspüren. Das smarte Hantieren mit der Kette wird von Designschnitzern, ungehöriger Kamera und einem steifen Spielgefühl bombardiert. Insgesamt gibt es nichts, weswegen man „Pandora's Tower“ unbedingt mal gespielt haben sollte. Freunde bizarrer Fantasy-Kost wagen definitiv eine Proberunde, alle anderen spielen endlich „Xenoblade Chronicles“ durch oder laden sich alte RPG-Perlen über die Virtual Console. Ach, und nein, das ist keine versehentlich umgedrehte 9.

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